Und ewig rauschen die Wälder?
Wenn wir heute durch den Wald spazieren, sehen wir ein paar durstleidende Fichtenschonungen, daneben aber auch viel Mischwald mit Totholz und Dickichten. Sieht alles recht natürlich aus, so als wäre es seit Jahrhunderten vor sich hingewachsen. Irrtum!
Wie es um 1840 in unserem Wald aussah, zeigt das neu erschienene großformatige Buch von Gernot Scior: "Die Waldkarte des Johannes Hieronimus Zamminer". Diese Waldkarte ist 1842 erschienen und kann als eine der ersten touristischen Landkarten gelten. Sie ist faltbar und zeigt die Wälder mit ihren zahlreichen fürstlichen Lustbarkeits-Anlagen rings um Darmstadt.
Scior bildet dazu zeitgenössische Gemälde ab, die er aus zahlreichen Quellen zusammengetragen hat, teils aus Privatbesitz, teils aus Archiven oder dem Jagdschloß Kranichstein. Auf diesen Gemälden von E. A. Schnittspahn, Carl Schweich, G. Markwort und anderen sowie Repros alter Ansichtskarten erkennt man ein Waldbild, das sich von unserem heutigen grundlegend unterscheidet. Parkartige Anlagen mit großzügigen Rasenflächen, idyllischen Brunnen und Lustpavillons umringten die Residenzstadt Darmstadt, jeweils wohlversehen mit einem Feuerherd (Grillplatz) und einer Retirade (WC-Häuschen). Der gesamte Wald im Norden, Osten und Süden der Stadt ist von schnurgeraden Schneisen kreuzweise durchschnitten, so daß die Örtlichkeiten gut mit der Kutsche erreichbar waren. Es gab sogar ein Adreßbuch in Darmstadt, in dem die Droschkenpreisen zur Ludwigshöhe, zur Fasanerie, zum Herrgottsberg oder zum Mathildentempel verzeichnet waren.
Scior stellt den historischen Abbildungen eigene Fotos gegenüber, wie der Wald heute aussieht. Von vergangenen Lustbarkeiten ist oft nichts mehr zu finden außer Ruinenresten. Zugleich umreißt Scior das Jagd- und Forstwesen der vergangenen zwei Jahrhunderte ausführlich und kritisch. Er beschreibt die Parforcejagd sowie ihr Verbot aus Kostengründen; eine Anlage namens Saufang - hier wurde das Wild in ein immer enger werdendes Gehege getrieben, wo es dann bequem von den Fürstlichkeiten abgeschossen werden konnte. Ein Wildzaun - vorgeblich um die Felder vor Wild-Übergriffen zu schützen - umgab das gesamte Waldgebiet, mit zahlreichen Falltoren und Forsthäusern. Niemand durfte in die Wälder, um Brennholz zu sammeln oder Eicheln für sein Schwein. Die Waldkarte des Geheimen Oberforstrates Johann Zamminer ist im Staatsarchiv Darmstadt digital zu sehen - siehe Infokasten unten.
Zamminer hat übrigens mit seinem Försterkollegen Georg Ludwig Hartig im Jahr 1794 einen Teilungsplan des Felsberges erstellt, den wir hier vorstellen. Viel Spaß beim Entdecken - online und im Wald!
Verborgene Spuren im Lautertal und Modautal
Jennis Höhe: völlig unvermutet stößt man etwas abseits an der Einfahrt zu einem Forstweg oberhalb Breitenwiesen auf eine natürliche Felsgruppe mit Inschrift. Eine Infotafel des Geopark besagt dazu:
"zu Ehren der Johanna (Jenny) Henriette Fürstin zu Erbach-Schönberg, geb. Prinzessin von Hohenlohe (1800-1877) angelegter Rastplatz. Das nahe gelegen Hofgut Hohenstein stand bis zum Jahre 1952 im Eigentum der Grafen zu Erbach-Schönberg und diente neben dem Schloß in Schönberg der Familie zeitweise auch als deren Wohnsitz. Johanna Henriette von Hohenlohe war im Jahre 1826 sechs Wochen mit dem Grafen Emil Christian zu Erbach-Schönberg (1789-1829) verheiratet. Die Jennys Höhe bildet den oberen Abschluß einer etwa achtzig meter langen, teilweise sehr steilen Felswand mit kompakten und aufragenden Spaltplatten aus Odenwälder Granit, deren Umfang bis zu 40 Meter beträgt. In früheren Jahren, als der Wald noch nicht so dicht und hoch bewachsen war, hatte man von diesem Platz aus einen wunderbaren Blick auf den vorderen Odenwald und die nördliche Bergstraße."
Foto M. Hiller
Die Elisabethenruhe: (390 m NN) Beliebter Rastplatz der Elisabeth Fürstin zu Erbach-Schönberg, geb. Prinzessin zu Waldeck und Pyrmont (1873 - 1961). Mitten im Wald oberhalb von Reichenbach, zu Fuß gut erreichbar vom nahe gelegenen Hofgut Hohenstein (bis 1952 im Eigentum der Grafen zu Erbach-Schönberg). Elisabeth von Waldeck und Pyrmont heiratete im Jahre 1900 den Fürsten und Grafen Alexander zu Erbach-Schönberg (1872 - 1944). Als der Wald noch nicht so hoch war, konnte man von diesem Platz aus über das Vorbachtal hinweg auf Reichenbach und den Felsberg schauen.
Foto: Walter Koepff
Die Ferdinandenhöhe: (Köppel - 450 m NN)
Walter Koepff schreibt dazu: Zu Ehren der Gräfin Ferdinande Henriette zu Erbach-Schönberg (1699-1750) angelegter Rastplatz. Die Anhöhe, auf der dieser Rastplatz liegt, heißt eigentlich "Köppel". Am 15.12.1719, ein Jahr nach der Erbteilung des Hauses Erbach, heiratete Graf Georg August von Erbach-Schönberg (1691-1758) eine der Stolberger Töchter, Ferdinande Henriette. Das nahe gelegene Hofgut Hohenstein stand bis zum Jahre 1952 im Eigentum der Grafen zu Erbach - Schönberg und diente neben dem Schloß in Schönberg der Familie zeitweise auch als deren Wohnsitz. Mit Ferdinande Henriette hatte Georg August dreizehn Kinder, die er alle zwischen 1721 und 1739 in die Familienbibel eintrug, die noch heute auf dem Altar der Schönberger Kirche liegt. Zwischen 1725 und 1730 brachte Ferdinande Henriette vier Kinder in Gedern zur Welt, die anderen in Schönberg. Ferdinande Henriette starb in (Bad) König Ende Januar 1750. Sie wurde in Michelstadt begraben.
Foto: Walter Koepff
Das Wildfrauhaus bei Lützelbach
Wildfrauhaus, Foto M. Hiller
Großherzog Ernst Ludwig Stein unterhalb des Wildfrauhauses
Weitere verborgene Plätze im Wald unserer Umgebung stellen wir gerne an dieser Stelle vor. Bitte senden Sie uns Ihren Lieblingsplatz an
M. Hiller
Infos:
- Gernot Scior: Die Waldkarte des J. H. Zamminer, Justus v. Liebig Verlag Darmstadt 2020, ISBN 9-783-87390-437-8, Format 27x21cm, Gewicht 1,6kg - also nicht rucksacktauglich
- den Direktlink zur Waldkarte von Johann Hieronymus Zamminer mit Abbildungen und Erläuterungen finden Sie hier